Erwin K. Scheuch im roten Jahrzehnt (Softcover)
- Ute Scheuch
Vorwort von Ute Scheuch
1967 galt Erwin K. Scheuch als das „liberale Idol der Kölner Studenten“. Als junger Professor hatte er sie bei einer Trauerkundgebung für den in Berlin am 2. Juni erschossenen Benno Ohnesorg ermuntert, die Gegner der Freiheit zu entlarven. Seine gleichzeitige Warnung, den von manchen Seiten gegen protestierende Studenten geschürten Hass nicht auch mit Hass zu beantworten, war offensichtlich im Jubel untergegangen. „Vom Paulus zum Saulus“ verwandelte er sich für rebellierende Studenten dann, als diese ihn auf dem 16. Frankfurter Soziologentag mit einem Handzettel angriffen, auf dem sie „die Verfolgung und Ermordung der Soziologie, dargestellt von der Scheuchspielgruppe des Instituts für vergleichende Sozialforschung unter Anleitung des Zwingherrn Erwin Kurt Scheuch“ erfanden. Bei einer folgenden Diskussion zwischen Professoren und Studenten auf diesem Soziologentag über „Herrschaftssysteme heute und studentische Aktionen“ offenbarte sich für Erwin K. Scheuch, dass „Neo-Marxisten“ unter den Studenten „sich außerhalb des Systems der liberalen Demokratie gedacht haben und schon wieder totalitär wurden“.
Noch blieb die Universität zu Köln aber von den aus amerikanischen Hochschulen hinüber geschwappten Unruhen verschont. Hier eskalierte der Streit zwischen Erwin K. Scheuch als Hochschullehrer und linksextremistischen Studenten erst 1971. Über Jahre hinweg blieben die Störungen seiner Vorlesungen und ihre Folgerungen eines der beherrschenden Themen in den lokalen wie überregionalen Medien. Es war eine der unerfreulichsten Zeiten in seinem Leben, nachdem er schon glaubte, es bliebe ihm nach der Nazi-Diktatur und den Gräueln des Zweiten Weltkrieges ein ruhiges Dasein als Wissenschaftler vergönnt. Über Jahre hinweg sah er sich tagtäglich extremen Belastungen ausgesetzt, unter denen er weit mehr litt, als er nach außen zugeben wollte. Vielleicht war das der Grund, warum er in seinen eigenen autobiographischen Notizen, die er 1996 und 1998 vorlegte, nur am Rande anklingen ließ, wie sehr er ins Visier dieser „Neuen Linken“ geraten war. Und tatsächlich war sein „Kampf gegen die Neue Linke“ lediglich eine Episode in seinem Leben. Das ist der Grund, warum hier ein eigenes Buch vorgelegt wird, in dem detailliert nur auf seinen ihm aufgenötigten Kampf im roten Jahrzehnt eingegangen wird.
Diese unsäglichen Angriffe, Beleidigungen und Schmähungen in epischer Breite in die von mir vorgesehene Gesamtbiographie über ihn einzuarbeiten, würde seinem wissenschaftlichen und publizistischen Lebenswerk nicht gerecht. Es wäre allerdings auch eine Geschichtsklitterung, sie einer breiten Öffentlichkeit vorzuenthalten. Dies gilt umso mehr, als auch heute noch falsche Behauptungen aus wieder erstarkten linken Kreisen über ihn lanciert werden. Auch dem soll hier mit zahlreichen Dokumenten begegnet werden.
Rezension von Johann Paul, erschienen in der Zeitschrift "Geschichte in Köln" (Vol. 58, No. 1) aus dem shVerlag, Köln.